Zur Frage der Theodizee
12. 7. 2002
Gott lässt alles zu. Könnte er irgendetwas verhindern?
Nein!
Er
könnte es nicht einmal wollen. Schließlich hat er die Welt doch so gemacht, wie
sie ist. Er kann sich doch nicht selbst widersprechen.
Sind dann die Aussagen über die Allmacht Gottes
Unsinn? Im üblichen Sinn, also sofern sie von einer widersprüchlichen
Vorstellung von Gott ausgehen, sind sie tatsächlich purer Unsinn. Und alle
fundamentalistischen Sekten aller Religionen gehen von so einer
widersprüchlichen Auffassung aus. Sie haben etwas nicht zu Ende gedacht.
Von „Allmacht“ kann nur gesprochen werden in Hinblick
auf die Tatsache, dass das ganze All von dieser einen Kraft stammt.
Will Gott also auch das Böse?
Die Idee vom
„Bösen“ selbst beinhaltet einen inneren Widerspruch, ist also auch purer
Unsinn. „Böse“ werden ist ja nur ein Resultat der Behinderung.
Es verhält sich damit so:
Sobald etwas ist, wirft es einen Schatten. Das ist
unvermeidlich. Dadurch ergeben sich Nachteile [Depravationserscheinungen]
für die im Schatten. Das lässt sich nicht verhindern.
Außerdem: Sobald etwas entsteht, muss es auch wieder vergehen:
Der Tod ist notwendig.
Kann Gott irgendetwas dagegen tun? Nein.
Gott „tut“ überhaupt nichts, niemals. Er ist ja kein
Mensch, er ist eine Kraft, nämlich die Kraft, aus der alles hervorgegangen ist
– auch wir Menschen.
Wir (mit unserer primitiven, abergläubischen,
fundamentalistischen, kindlichen Phantasie) wünschen uns, dass Gott uns
„hilft“.
Wie kann er „helfen“? Solange wir abergläubisch sind,
werden wir das nicht verstehen. Wenn wir verstehen wollen, müssen wir sehen:
Gott, die schöpferische Kraft, tut nichts, sie kann
überhaupt nichts tun.
Aber diese Kraft ist – und weil sie da ist, können wir
von ihr profitieren – wie alles von je her von ihr profitiert hat und wie ihr
alles und jedes sein Dasein und Leben verdankt. Wie sollen wir profitieren?
Diese Kraft hat uns so gemacht, dass wir uns
normalerweise hervorragend entwickeln und dass wir hervorragend funktionieren,
eigentlich perfekt.
Das Problem: Es gibt Hindernisse (Schatten), sie
behindern unsere Entwicklung und unsere Funktionen.
Wie kommen wir da raus? Wie können wir trotz
Behinderungen zur Perfektion finden?
Für einen Behinderten, also für alle von uns, weil wir
ja alle immer wieder behindert werden, gibt es zwei Verhaltensmöglichkeiten:
1. sich ärgern – und als Folge des sich Ärgerns Aggressionen
gegen andere oder gegen sich selber entwickeln samt den darin eingeschlossenen
beschädigenden Handlungen oder depressiv werden. – Das ist es, wofür sich die
meisten entscheiden. Sie verbreiten die Beschädigungen weiter und bestärken
sie. Ihnen kann „Gott“ nicht helfen.
2. akzeptieren.
Wer sich ärgert, verkrampft sich. Wer akzeptiert, kann
sich entspannen.
Wer sich verkrampft, beschädigt sich – zusätzlich zu
den Schäden, die er bereits hat – noch selbst weiter, weil er durch den Krampf
gar nichts mehr mitkriegt. Und er blockiert die schöpferische Kraft. Er
betreibt eine „lose/lose“-Konstellation.
Wer entspannt ist, bei dem kann die schöpferische
Kraft wirken und sich entfalten – und sie wirkt erlösend: Die Phantasie
produziert Ideen, die Sinne arbeiten optimal und alle Kräfte zur Umsetzung
stehen zur Verfügung. Er schafft eine win/win Konstellation, indem er sich der schöpferischen Kraft
öffnet.
So „sorgt“ „Gott“ für die Seinen [also für diejenigen,
die ihn machen lassen, so wie „er“ es längst gemacht hat] – ohne etwas zu tun.
Und das Ganze obwohl „er“ die unvermeidlichen
Beschädigungen durch die gegenseitigen Behinderungen der „Geschöpfe“ nicht nur
nicht verhindert, sondern natürlich von Anfang an bewusst [aber in keiner Weise
willkürlich] eingeplant hat, als Mittel der Weiterentwicklung der Schöpfung hin
zur Bewusstheit.
Die Christen haben ein bisschen was davon kapiert,
indem sie in der Osternacht singen „O felix culpa …“.
Das ganze Gefüge der Schöpfung ist ein logisches. Gott
hätte seine Schöpfung daher gar nicht anders machen können. Sie ist notwendig
so, wie sie ist.
Insofern ist auch klar, dass der „Teufel“ [also die
Behinderung] ein Geschöpf Gottes ist und in seinen Diensten steht – immer noch
und für immer. Er ist ein positiver Faktor, der Motor der Evolution. Er sorgt
für die Auseinandersetzung mit den Schatten und damit für kreative Lösungen,
aber gleichzeitig sorgt er damit auch für die Ausscheidung der Verweigerer und
er hebt die Annehmenden auf eine neue Ebene der Bewusstheit.
Wenn Sie jetzt sagen: aber er sorgt nicht nur für die
Ausscheidung der Verweigerer, sondern auch Unschuldiger, kann ich nur sagen:
Alle sind unschuldig, die Schuldigen genauso wie die Unschuldigen. Auch die
Schuldigen können nichts dafür, dass sie den Bedingungen ausgesetzt waren,
denen sie ausgesetzt waren und die sie eben so geformt haben von ihren
Voraussetzungen aus. Keiner hat sich selbst oder seine Bedingungen gemacht.
Natürlich sind auch die Annehmenden unschuldig, aber
sie wissen es. Es ist nicht ihre Kraft, die sie blühen lässt. Es ist reine
Gnade, nicht geschuldet, ein reines Geschenk. Sie danken dafür ohnehin ohne
Unterlass.
Und was die Untergehenden betrifft: Für sie gilt das
Gleiche: Sie können sich entweder ärgern, oder annehmen. Wenn sie annehmen,
sind sie schon erlöst und erleben den schönsten Tod, den man sich nur
vorstellen kann, denn sie wissen sich eins mit der großen Kraft. Sie werden
„Danke“ sagen für ihren Tod und für ihr Leben. Und darin werden sie „ewig“
leben, nämlich jetzt total.
Denen, die sich ärgern, wird ihr Leben entrissen, denn
sie wollen es nicht loslassen, weil sie noch nicht richtig gelebt haben, weil
sie zur Erkenntnis des Geheimnisses des Lebens noch nicht vorgedrungen sind.
Aber was können die dafür, werden Sie vielleicht jetzt
fragen? Sie können auch nichts dafür. Und wir wissen nicht, was beim Tod
geschieht, ob die schlechteren Ausgangsbedingungen für sie entscheidend bleiben
oder ob sie nicht wieder und wieder eine Chance bekommen, sich umzuentscheiden – so dass am Ende vielleicht wieder alle
eins sind. Wir wissen nicht, was beim Tod geschieht. Und wir kennen das für uns
Menschen Höchstmögliche nicht. Aber wir brauchen auch nicht dogmatisch
behaupten, dass alle erlöst werden, auch da würden wir unserer Ehrlichkeit
Grenzen setzen.
Wir können nur hoffen. Aber wir haben allen Grund
dazu, wegen der positiven Erfahrungen, die wir machen können, wenn wir unser
Schicksal und jede Behinderung annehmen. Es wird also eine durch Erfahrung
bestätigte Hoffnung.
Unser Glaube beruht daher auf Erfahrung. Er ist kein Fürwahrhalten von Sätzen. Und unsere Erfahrung sagt uns:
Gott ist gut, ja nicht nur gut, er ist perfekt – und seine Hilfe für uns ist
auch perfekt. Umso mehr wir uns auf sie einstellen, umso mehr werden wir sie
erfahren. Sie könnte nicht besser sein. Sogar wenn wir gerade eine große
Enttäuschung erlebt haben. Wir sagen nur danke für jeden Hinweis, der uns näher
an die Wahrheit bringt, dass wir uns endlich nichts mehr vormachen, sondern die
Welt annehmen, wie sie ist und uns selbst, wie wir sind.
Dann ist die Theodizee, also
die Frage nach dem Sinn des Leidens, geklärt.
Und auch Buddha wäre mit dieser Erklärung
einverstanden. Es ist ja gleichzeitig genauso seine Schlussfolgerung, dass das
Ende des Leidens darin besteht, es anzunehmen – also Abstand zu nehmen von der
Gier, die zum Ausdruck kommt durch das sich Ärgern – in dem ja ein ungeheurer
Anspruch steckt.
Somit sind Buddha und Jesus eins. Jesus hat das
Annehmen ja demonstriert bis zum Letzten.
Logischerweise bedeutet das Annehmen nicht ein
Hinnehmen. Es ist das Annehmen einer Herausforderung. So hat Jesus seinen Tod
gesehen. Er ist daher in keiner Weise bemitleidenswert [womit ich natürlich
nicht sagen will, wir könnten oder sollten nicht mit ihm mitfühlen, denn es wäre
tatsächlich sehr lehrreich für uns, zu fühlen, was er gefühlt hat], sondern nur
bewundernswert. Er ist kein Opfer. Er ist der Souverän, auch im Tod. Kein
Wunder, dass er solche Beachtung gefunden hat, und viele auch etwas dumme
Nachfolger, die mehr versucht haben, Details aus seinem Schicksal zu imitieren,
als ihn zu verstehen. Aber sie haben es versucht. Und dafür sind sie alle zu
bewundern.
Wir müssen aber unseren eigenen Weg finden. Er ist
einfach.
Er beginnt mit der Herausforderung durch unsere Behinderungen.
Ärgern wir uns oder nehmen wir sie an?
Es geht ja immer um eine Befreiung aus der Sklaverei.
Sie beginnt mit der Annahme der Hausforderung.
Auch der hinduistische Ardschuna
nimmt die Herausforderung an – und Mohammed nimmt sie ohnehin immer wieder an
in jeder Phase seines Lebens. Ein archetypisches Beispiel aus der Bibel ist
Israel, der sogar mit Gott gekämpft hat.
Alle Religionsstifter haben das gelebt, auch die
Samurai leben genau das. Auch die Medizinmänner der Stammesreligionen – eben
auf ihre Weise. Es ist die eine alte spirituelle Weisheit: Wenn du aufgibst,
hast du alles. Das ist die Lehre der Theodizee. Das
ist die Lehre aller Meister. Surrender.
Wem sich ergeben? Natürlich der Kraft, die uns ins
Dasein gerufen hat und die mit uns ist in allen Phasen unseres Lebens [„näher
als unsere Halsschlagader“, lautet ein islamischer Spruch]. Wir können ihr
bedingungslos vertrauen.
Das Vertrauen erfordert einen ungesicherten Sprung. Es
ist der Sprung vom sich Ärgern [in seinen ganzen Formen von der Aggression bis
hin zur Depression] zum Annehmen der Herausforderung. Dann ist die Kraft da,
die alles in der Welt lenkt. Dann lenkt sie auch uns – zu unserem größten
Vorteil, weil uns alle unsere Fähigkeiten zur Verfügung stehen, seit wir der
Kraft nichts mehr entgegensetzen.
Es ist vom „Tod des Ego“ geredet worden oder
dergleichen, aber das versteht heute kaum noch jemand. Das ist gemeint. Wir
müssen sterben, als Möchtegerne, die unser Schicksal in der Hand zu haben
glauben. Wir müssen aber nichts glauben. Wir müssen nur realistisch sein und
unsere Lage so sehen wie sie ist. Das genügt, dann werden wir schnell sehen,
was los ist in unserem Leben und dass wir unser Schicksal nicht in der Hand
haben. Dann können wir aufgeben – und im Vertrauen auf die schöpferische Kraft
unser Schicksal als Herausforderung annehmen in einer positiven Weise, also
nicht mehr im Trotz gegen das Leben, sondern im Einklang mit ihm. Das heißt
„aufgeben“ oder „kapitulieren“. Es heißt nicht resignieren, sondern die
Herausforderung annehmen – sich dem Herrn [der Realität] beugen und auf seine
volle Unterstützung bauen und daraus Lösungen empfangen.
Das Aufgeben betrifft also nur unsere Illusionen, zu
denen natürlich gehört, dass wir glauben Herr unseres Lebens zu sein. Wir sind es
nicht. Und sobald wir den wirklichen Herrn anerkennen und ihm folgen, sind wir
gerettet – nicht in dem metaphysischen Sinn der evangelischen Freikirchen,
sondern im buchstäblichen Sinn. Von nun an haben wir den besten Führer, der nur
möglich ist, nämlich uns selbst – jenes von der schöpferischen Kraft perfekt
erschaffene Wesen, das Wege findet, mit Behinderungen fertig zu werden. Denken
wir nur an Helen Keller oder Mutter Teresa oder Amma
in Indien. Das ist gelebte Theodizee. Leben
angenommener Herausforderung. Es geht auch ohne Heiligengloriole. Es ist eine
unbestreitbare Tatsache, dass diese Menschen eine gute Einstellung dem Leben
gegenüber gefunden haben und daher in bewundernswerter Weise leben konnten und
leben können.
Das ist das eine und einzig Spirituelle, das es gibt.
Alles andere [also alle Esoterik, sofern sie sich anders versteht] ist Hokus Pokus, nichts dahinter als
Einbildung. Nur ist natürlich die Kraft der Einbildung eine unserer Fähigkeiten
und wir dürfen sie benützen in der Bewältigung unserer Herausforderung.
Und so haben auch die Mythen der Religionen ihren
Sinn. Es geht nur darum, nicht irgendwelchen Illusionen zu erliegen, etwa durch
ein buchstäbliches Verständnis der Bilder, also durch Verwechslung der Karte
mit dem Territorium. Die Bilder sind nur eine Karte für unser Leben. Sie können
auch zu Behinderung werden, wenn wir sie so verstehen, dass sie uns behindern,
als Zwang. So sind sie nicht gemeint. Sie sind zu unserer Förderung gemeint,
als belebende Bilder, nicht als solche, die uns zur Erstarrung bringen. So war
die Befreiung, die Jesus gebracht hat eine Befreiung von der Sklaverei des
Gesetzes – ohne auch nur einen Buchstaben aufzuheben. Es ist eine Befreiung von
jedem Gesetz – natürlich wieder nicht als Zwang und daher nicht von dem Gesetz,
dem er sich freiwillig unterwirft, weil es zu seinen Gunsten wirkt.
Was dann aber zu unseren Gunsten wirkt, das können wir
nur erkennen, wenn wir der Situation, in der wir
stehen, nachfühlen. Zu unseren Gunsten ist niemals das, was es aus der Froschperspektive
erscheint, sondern nur was auch aus der Perspektive des Ganzen aus so
erscheint. Ich rede also nicht für einen Egoismus der Froschperspektive, in dem
sich beispielsweise befeindete Völker befinden, die immer alles Schlechte beim
Feind und alles Gute bei sich selber sehen und sich nicht aufraffen können zur
Perspektive des Ganzen, weil die ihnen doch ihren so schönen Größenwahn nehmen
würde.
Ein Leben aus der Weisheit der Theodizee
ist immer ein Leben des Respekts vor der ganzen Wirklichkeit, also ein Leben
unter der Perspektive des Ganzen.
Die Leiden, die die Menschen befallen, sind immer
dieser Art: Sie stammen aus dem nicht Annehmen – also aus dem intendierten
Ausschluss eines Teils der Realität. Das ist aber eine Illusion, denn wir leben
in der ganzen Realität. Das zu akzeptieren bedeutet „annehmen“. Sobald wir angenommen haben, brauchen wir uns
paradoxer und logischer Weise um unsere Leiden nicht mehr kümmern, um die
kümmert sich dann „der liebe Gott“, nämlich die Kraft, aus der wir hervorgegangen
sind. Darin besteht dann die tatsächliche körperlich-materiell spürbare Hilfe
„von oben“, die wir erfahren können, und die ohne übernatürliche Erklärungen
doch genau das ist, wofür früher übernatürliche Erklärungen abgegeben worden
sind. Die „Gnade“ ist schon da, sobald wir sie annehmen. Wir brauchen uns nur
noch auf unsere Herausforderung konzentrieren.
Aber natürlich gehört zu unserer Herausforderung auch,
dass wir uns um unseren Körper kümmern, dass wir also auch medizinisch das
veranlassen, was nötig ist, so wie wir uns ja auch ganz selbstverständlich um
unser Essen, um unsere Wohnung und um unsere Kleidung kümmern. Nur wird das
alles zu keiner Besessenheit mehr. Die Sucht ist zu Ende. Wir sind frei – eben
dafür unsere Herausforderungen anzupacken. Das ist Surrender.
Wir müssen laufen wie ein Langstreckenläufer. Eine
meiner wichtigsten Erkenntnisse hatte ich beim Berggehen als Jugendlicher.
Anfangs hatte ich mir meine Kraft nicht richtig eingeteilt. Ich hatte das Ziel
im Auge und ich habe mir meine Kraft eingeteilt bis zu diesem von mir
vorgestellten Zielpunkt, dem Berggipfel. Dann aber hat das länger gedauert, als
ich gedacht hatte und ich hatte fast keine Kraft mehr für das letzte Stück. Als
mir das aufgefallen war, habe ich meine Kraft anders eingeteilt. Ich habe mich
auf Unendlich eingestellt, also darauf, dass ich so, wie ich ging, unendlich
weit gehen könnte, ohne zu erschlaffen. Von da an war es egal, wie weit es noch
war. Ich ging einfach in meinem Tempo, das von nichts mehr diktiert war als von
der übergeordneten Perspektive, die meinen Körper genauso einbezog wie die
Landschaft und den Weg. Auf diese Weise muss auch das Leben angegangen werden.
Wie wenn es unendlich wäre. Wir müssen unseren Rhythmus und unser Sosein als
unsere Basis nehmen und einfach achtsam sein auf alles, also alles
respektieren, unseren Körper genauso wie unseren höheren Ziele. Wir sind
niemandes Sklave, weder eines Triebs noch einer Vision, aber wir respektieren
beide – auch unsere Tendenz, uns zu ärgern, aber wir sehen sie als was sie ist,
nämlich eine „Versuchung“ zum Größenwahn, also zu einer unrealistischen
Übersteigerung, die nur unangenehme Folgen haben kann.
Es gibt natürlich Zeiten, wo man sich wehren muss.
Nur, mit Ärger kommen wir da nicht weit. Auch wenn wir uns wehren müssen,
sollten wir uns nicht von negativen Emotionen leiten lassen. Das macht uns nur
unachtsam. Wenn wir fühlen, dass unsere Freiheit ungebührlich eingeschränkt
wird, müssen wir überlegen, was wirklich eine Veränderung zum Positiven bewirkt.
Wir müssen von der Realität ausgehen und der ins Auge blicken. Wir müssen uns
den Schmerz bewusst machen, als Schmerz nicht als Ärger oder als Depression!
Dieser Schmerz ist die Realität. Von der müssen wir uns führen lassen zu einem
Zustand, in dem der Schmerz nicht mehr ist. Das ist Annahme der
Herausforderung. Wir müssen durch den Nebel der Emotionen hindurch auf den
Kernpunkt der Realität vorstoßen, auf den Konflikt- oder Schattenpunkt, also
auf die Behinderung, also auf den Auslöser des Schmerzes. Ihn zu fühlen und
doch nicht von ihm weggerissen zu werden, da die Balance zu finden, ist der Weg
der Heilung – oder wie es früher gesagt wurde „des Heils“.
Daher wird der Weg der Bibel zurecht als ein Heilsweg
beschrieben – nur sind daraus eher Unheilswege daraus gemacht worden, wie wir
das bei vielen Sekten und auch in der gegenwärtigen kulturellen
Auseinandersetzung zwischen dem Islam und dem Rest der Welt sehen. Wo die
Emotionen herrschen, lässt sich kein Weg finden. Es braucht die höhere
Perspektive. Da zeigt sich der Ausweg – aus allen Konflikten. Und zwar liegt er
immer in einer „win/win“-Konstellation.
Selber das bekommen, was man braucht, und das auch den anderen zugestehen. Das
ist das normal Menschliche. Es ist der Weg des „Menschensohns“, der Weg des
Erlösers. Also warum ihn nicht gehen?
Jeder Konflikt lässt sich lösen im gegenseitigen
Respekt. Das ist die Herausforderung eines Konflikts – nicht nur an die
anderen, sondern auch an sich selbst. Nämlich in sich selbst Raum zu schaffen
für den anderen. Das bedeutet, seine Grenzen ausweiten. „Toleranz“ ist es auch
genannt worden, aber dadurch zu einem moralischen Gebot verkommen, zu dem viele
keine Lust haben. Aber das in sich Raum schaffen ist keine Frage der Moral,
sondern nur eine Frage der Realität. Es geht nur darum, einen realistischen
Standpunkt einzunehmen und den anderen in seinem Anderssein [als eine Realität,
die uns betrifft] zu akzeptieren, mit dem angenehmen Nebeneffekt, dass er dann
auch uns akzeptieren kann. Aber die verfeindeten Parteien sind immer so
verliebt in ihr Selbstbild, dessen Attraktivität zu einem großen Teil darauf
beruht, dass er den anderen abwertet, um sich selbst entsprechend zu erhöhen.
Das ist purer Faschismus und das Gegenteil der Theodizee.
Es beruht auf der falschen Entscheidung, statt annehmen, eben ablehnen,
beleidigt und böse reagieren, eben den Schatten weitergeben, statt ihn in Licht
zu verwandeln. Das ist schade. Wir Menschen haben die Möglichkeit und unsere
tiefste Sehnsucht treibt uns, diese Möglichkeit der Evolution zu verwirklichen.
Wir sind also von innen her auf diese Lösung vorprogrammiert, aber eben wieder
nicht als Zwang, sondern eben durch den Drang zum Abenteuer, zum Risiko, zum
Spiel, zur Neugier. Also es macht auch noch Spaß – genauso wie Hollywood sich
das immer erträumt.