Eine meditative Hinführung zur Kapitulation
ursprünglich intendiert für psychiatrisches Fachpersonal
02_03_22
Die folgende Meditation ist sehr einfach. Sie schließen die Augen, atmen gut und gehen in sich selbst an einen angenehmen Ort. Lassen Sie alles los, auch was Sie in den Händen halten, legen Sie es einfach an einen sicheren Platz, vielleicht unter Ihrem Stuhl. Sie dürfen sich jetzt ganz entspannen. Alles ist in bester Ordnung. Sie sind vollkommen sicher.
Fühlen Sie jetzt, wie gut es ist, so bei sich zu sein. Und wenn Sie sich an ihrem angenehmen Ort so richtig gut fühlen, lassen Sie jetzt all das, was Sie in letzter Zeit verunsichert hat, kurz aufblitzen. Betrachten sie es von dem sicheren Ort aus, an dem Sie jetzt sind. Nehmen Sie sich dafür kurz Zeit. Und Sie werden Lösungen sehen, ihre Lösungen.
Und Sie werden diese Lösungen behalten, wenn Sie wieder zurückkehren in Ihren Alltag. Sie brauchen sie jetzt nicht festhalten. Sie können vertrauen und loslassen.
Sie können es daher nun einfach wagen, meinen Worten zu folgen und mich jetzt (mit allen Ihren Sinnen) begleiten auf eine Reise durch das Universum und zurück an dessen Ursprung.
Sie wissen von den Dimensionen des Alls, von seinen Milliarden von Milchstraßen, die teils Milliarden Lichtjahre von uns entfernt sind, und Sie wissen von unserem Sonnensystem mit seinen Planeten und von uns auf einem von ihnen, wie winzige Würmer, unscheinbarst, eine äußerst unwahrscheinliche Chance der Evolution - und trotzdem vielleicht nicht die Einzigen unserer Art in den unermesslichen Weiten des Universums.
Und Sie wissen, dass all das vor mehr als zehn Milliarden Jahren in einem gewaltigen Urknall begonnen haben soll.
Was für gewaltige Energie sich da entladen hat. Unvorstellbar.
Dann aber ist diese Energie ganz offensichtlich nicht in Trägheit übergegangen, sondern sie hat das All in eine Richtung gedrängt, die am Ende uns Menschen hervorgebracht hat. Es war diese eine ursprüngliche Energie, die das alles hervorgebracht hat und diese Energie lenkt bis heute alles im Universum.
Es wäre daher nicht unbedingt intelligent, zu glauben, diese Energie hätte keine Bewusstheit – auch wenn diese Bewusstheit in einer gewissen Hinsicht geradezu unbewusst erscheinen mag, als sprachlose „Materie“. Aber gerade in dieser anscheinend sprachlosen Materie sehen wir doch durchgehend einen unverkennbaren Trend der Evolution und zwar genau den Trend hin zur Bewusstheit – der gipfelt in uns Menschen, zumindest unserer Anlage nach, also intendiert. Und dann setzt sich dieser Trend in unserem persönlichen Leben fort in dem unauslöschlichen Drang zur Realisierung dieser Bewusstheit.
Es ist ganz offensichtlich eine Art inneres Programm, das uns in diese Richtung drängt. Jeder Mensch hat diesen Drang und dieses Programm. Das Leiden drängt uns in diese Richtung und die Sehnsucht. „Der Himmel und die Hölle“, von denen die alten Religionen sprechen, bewegen uns tatsächlich. Von beiden Seiten drängt uns das Leben zu unserer Entfaltung.
Wir haben diesen Drang oder diesen Weg nicht erzeugt. Es ist der Weg der gesamten Evolution von Anfang an und er wirkt in allem. Er ist uns eingebaut wie allem anderen auch. Von wem ist er uns eingebaut? Natürlich von dieser einen großen Energie. Sie wollte gerade auch uns. Und sie wollte und will immer noch, dass wir uns vollkommen entfalten. Und dadurch drängt sie uns schon von Natur aus in Richtung Bewusstheit. Es ist gar nicht unsere Wahl, aber wir werden uns unzufrieden fühlen, bis wir diesen Weg nicht bewusst eingeschlagen haben. „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir“, sagte daher einst der Lehrer der alten Kirche Augustinus. Und dieses „dir“ oder „du“, von dem er spricht, ist jene eine große Kraft, die alles hervorgebracht hat. Seltsamerweise wird diese Kraft oft als kalt und gefühllos betrachtet, obwohl sie doch das Gegenteil von kalt und gefühllos ist. Sie fühlt nämlich alles. Und sie fühlt natürlich auch, was wir fühlen, denn wir sind doch eine Äußerung von ihr. Und daher können wir in direkte Kommunikation treten mit ihr, mit dem großen Du. Und in dieser Kommunikation zeigt uns dieses Du unsere Chancen und es gibt uns gleichzeitig auch die nötige Kraft, wenn wir durch sie und in Übereinstimmung mit ihr ein lohnendes Ziel sehen. Und wenn wir kein lohnendes Ziel erkennen können, verhilft sie uns dazu, dass eines auftaucht.
Logischerweise will diese große Kraft nicht unsren Untergang, sondern sie will unser Wohlergehen. Sie steht voll hinter uns. Und sie kennt von ihrer übergeordneten Warte aus den idealen Weg für uns – besser als wir selbst. Wir selbst sind mit unserer Weisheit ja nur bis da hin gelangt, wo wir sind.
Wenn wir unzufrieden damit sind, dann gibt es hier ein Angebot: Wir können uns auf die Perspektive der großen Kraft einstellen, auf die Perspektive der Kraft des Ganzen und durch diese Perspektive Lösungen für uns selbst finden, die wir auf unserem bisherigen Kurs durch das Leben nicht finden haben können.
Deshalb ist die Übereinstimmung mit der großen Kraft das erste Ziel auf dem Weg zu unserem neuen Leben. Die Übereinstimmung mit der großen Kraft gibt unendliches Vertrauen. Und das Vertrauen entkrampft. Und dann beginnen die Dinge, sich zu lösen.
Das ist die Wirkung von Spiritualität.
Eine Übereinstimmung mit der großen Kraft ist logischerweise aber nur möglich, wenn wir ihr und uns unser eigenes Unvermögen eingestehen, wenn wir unser Haupt beugen vor ihr und unser Schicksal in ihre Hand legen, in der es sich doch ohnehin bereits befindet. Nur wenn wir der großen Kraft nicht unsere beschränkten eigenen Ideen entgegensetzen, kann sie uns im vollen Umfang helfen. Das ist der Schritt der Kapitulation.
Es kommt nun darauf an, diesen Weg zur Kapitulation öfter zu gehen, immer wieder, möglichst täglich, bald natürlich mit eigenen Worten. Dann kommt Vertrauen, denn irgendwas in uns erkennt, dass wir uns jetzt auf dem richtigen Kurs befinden und so beginnen die Dinge, sich zu lösen.
Schauen Sie jetzt noch einmal auf die Lösungen, die Sie vorhin für sich selbst gefunden haben.
Es ist leicht, sich an sie wieder zu erinnern: Sie brauchen sich nur noch einmal die Frage zu stellen, womit Sie denn unzufrieden sind in Ihrem Leben, und dann die Antwort zu betrachten, die jetzt aus Ihrer Verbundenheit mit der Perspektive des Ganzen kommt.
Und auch jetzt brauchen Sie nicht festhalten, was Sie gesehen haben, denn Sie können an diesen „Ort“ jederzeit zurückkehren, auch im Alltag. Sie brauchen sich nur immer wieder die Frage stellen, womit Sie denn unzufrieden sind in Ihrem Leben und dann ehrlich bleiben und kapitulieren. Dann kommt die Perspektive des Ganzen. Sie kommt unfehlbar, sobald Sie den Schritt zur Kapitulation gegangen sind. Garantiert. Jederzeit. Es ist nicht schwer.
Und so haben wir jetzt einen unschätzbaren Leitfaden für unser Leben entdeckt, den Ariadnefaden heraus aus unserem Labyrinth: unsere Kapitulation. Wir können diese Einstellung jetzt jederzeit vornehmen und die Perspektive des Ganzen einblenden in allen konkreten schwierigen Fragen unseres Lebens.
Die Aussichten, die diese Sicht eröffnet, sind gewaltig, aber diese Sicht ist keine Errungenschaft, keine Leistung unserer selbst. Im Gegenteil sie kommt erst, wenn wir kapitulieren. Sie ist ein Geschenk, das aber jedem gegeben wird, der es will, weil doch diese Kraft selbst uns zur Kapitulation und zu dieser Sicht drängt. Die Kapitulation und diese Sicht sind daher etwas völlig Natürliches. Es braucht auch keinerlei übernatürliche Annahmen und daher ist dieser Weg auch für Atheisten geeignet. Wir suchen keinen Gott irgendwo, denn wir wissen doch, dass die große Kraft das Wesen von allem ist. Wir brauchen sie nicht suchen. Wir brauchen nur unsere Augen aufmachen und sehen.
Und unsere Augen öffnen lernen wir auf diesem meditativen Weg.
In knappen Worten: Wir brauchen uns nur an die gewaltige Energie erinnern, die dieses Universum aus sich hervorgebracht hat. Und daran, dass diese Energie nicht blind ist, sondern dass sie aus Steinen Menschen machen „wollte“, dass sie auf die Entwicklung von Bewusstheit gedrängt hat und uns dadurch entstehen hat lassen, einfach durch den normalen evolutionären Druck in der Materie.
Und da sind wir nun und in uns die Bewusstheit und in ihr unsere Chance.
Die Perspektive des Ganzen ist die rettende Perspektive.
Wir erreichen sie, indem wir vor ihr kapitulieren.
Das ist Spiritualität, wirkliches, bewusstes Wahrnehmen.