Krankheit
und Heilung
Schuld und Bewusstheit
[Auslöser für den folgenden Artikel war die
Erfahrung mit einer sozial gut situierten Familie, in der die Frau und
Mutter aufgrund der Gefühlskälte ihrer Umgebung von Alkohol abhängig wurde und
infolgedessen in sehr jungen Jahren starb. Weil sie unter keinen Umständen
beschuldigt werden wollte, leugnete sie ihren Alkoholismus bis zum letzten
Atemzug – und jetzt glauben die Überlebenden zu wissen, wer an allem schuld
war! Die Fortsetzung des Grauens ist damit für weitere Generationen
vorprogrammiert. Da dies kein Einzelfall ist, sondern nur Symptom für eine aus
dem "Mittelalter" verschleppte Erkrankung unserer Gesellschaft, hier
einige Überlegungen mit weitreichenden Konsequenzen:]
Alle Arten von
Krankheiten [beispielsweise also auch der
Alkoholismus] entstehen,
wenn in einem oder mehreren Bereichen des
Lebens eine gewisse Schwelle des Erträglichen über- oder unterschritten wird.
Durch solche Umstände wird bekanntermaßen die
Immunabwehr geschwächt, sodass der Körper eine Infektion nicht mehr abwehren
kann oder ein Organ beginnt zu versagen, weil durch eine bereits länger
andauernde Über- oder Unterschreitung der Limits Deformationen begonnen haben.
Und genauso öffnet sich auch der Bereich des Phantastischen in die Psychose
oder in die Manie oder in die Depression oder in die Paranoia. Welche Art von
Krankheit jemand nach längerem Stress oder Mangel entwickelt, ist eine sehr
persönliche Sache bzw. anlagebedingt und ist insofern unveränderbar gegeben [
jedenfalls so lange unser Bewusstsein noch keine Erinnerung an die Bedingungen
dieser Anlagen umfasst. Genau darauf richtet sich jedoch der automatische,
biologische Suchprozess, der uns durchs Leben führt, und in dem Krankheiten wie
Stoppschilder sind (die man natürlich auch chemisch beseitigen und damit
ignorieren kann). Der biologischen Intention nach sollen sie uns zum Innehalten
bringen, damit wir schauen können, was los ist, und dadurch zu wirklicher
Heilung gelangen und am Ende zur Bewusstheit des Alls.]. Jeder Organismus
(wie jedes System) hat natürliche Schwachstellen, an denen sich ein bestehendes
Ungleichgewicht bevorzugt bemerkbar macht. Insofern haben die Mediziner recht,
wenn sie meinen, es gäbe natürliche Dispositionen etwa für Depression, Manie,
Psychosen, Drüsenfehlfunktionen, Herzprobleme, Krebs etc.. Aber die Disposition
(die so etwas wie eine unveränderliche Konstante darstellt) allein ist noch
kein Grund dafür, dass die Krankheit wirklich ausbricht. Dafür sind zusätzliche
belastende Lebensumstände verantwortlich. Eine Heilung wird also davon
abhängen, ob die Variablen, also diese belastenden Lebensumstände verändert
werden können. Zwar kann die Schwelle, an der ein Defekt einsetzt, unter
Umständen durch Medikamente oder auch durch eine künftige Gentherapie angehoben
werden, aber genauso sicher kann diese Schwelle nicht vollständig beseitigt
werden, bzw. falls doch, wird eine andere Schwelle mit ähnlicher Funktion an
einer anderen Stelle erscheinen. Der Mensch wird ja auch in jeder künftigen
Medizin immer noch an die Bedingungen eines materiellen Körpers gebunden und entsprechend
gefährdet sein.
Der realistische Weg zu einer wirklichen Heilung und zur Verhinderung künftiger Erkrankungen müsste daher "logischerweise" (doch hier werden die Grenzen des "normalen, gesunden Menschenverstands" sichtbar) darin bestehen, aus der genauen Betrachtung der Ereignisse vor dem Eintritt eines Krankheitsschubes Einsicht in die Ursachen, d.h. in die zu dieser Zeit verändernd wirkenden Einflüsse zu finden und damit auch ausreichende Hinweise auf das, was im Hinblick auf eine Heilung verändert werden sollte. Diese Einsicht in die Ursachen ist aber in den meisten Fällen zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich, weil das habituelle Weltbild (das angeeignete Welterkennungs- und Reaktionsprogramm) die realen Ursachen nicht als solche enthält und erkennt. Deshalb braucht es zuvor eine Erweiterung der Ressourcen – etwa durch eine therapeutisch oder spontan tranceinduzierte [auch die Krankheit selbst erzeugt natürlicherweise eine Art Trance, einen veränderten Bewusstseinszustand, einen Zustand der Meditation (nämlich durch die auftretende Hilflosigkeit), der heilend wirken kann – wenn die Krankheit nicht nur als "Feind" gesehen und äußerlich bekämpft wird, also wenn sich der Mensch erlaubt, seine Hilflosigkeit als solche zu wahrzunehmen] Rückbesinnung auf die Grundlagen der eigenen Natur, durch die auch deren ursprüngliche Fähigkeiten wiedergewonnen werden können, sodass von da her ein den Umständen entsprechend verändertes Verhalten ermöglicht wird, sogar ohne eine vorausgehende Analyse der konkreten Lebenssituation. In diesem Fall setzt das Verstehen der vergangenen Probleme erst ein, wenn die Lösung bereits realisiert wird.
Wirkliche Heilung geschieht jedenfalls nicht
durch medizinische Maßnahmen (diese können aber notwendig sein, um einen
weiteren Schritt überhaupt erst möglich zu machen), sondern durch Bewusstheit,
durch Achtsamkeit in all ihren Spielarten. [Das Paradigma der Medizin lautet
ja: Die Natur ist defekt, sie muss repariert werden – logischerweise kann das
Ergebnis nie mehr als Flickschusterei sein; das Paradigma, von dem ich ausgehe,
heißt: Die Natur ist perfekt – deshalb gibt es Krankheiten und deshalb kommt
wirkliche Heilung von selbst, vorausgesetzt die Hindernisse werden beseitigt.
Dafür ist vor allem Achtsamkeit erforderlich.]
Aber – zunächst ist keine Achtsamkeit da.
Zunächst ist da nur eine Verstrickung, die Bewusstheit gar nicht erlaubt.
Zunächst ist inmitten von Verwirrung nur das Bewusstsein eines
"Problems", nämlich des Symptoms. Und für dieses Symptom-Problem
suchen die Menschen eine Lösung, therapeutische Hilfe.
Die Lösung, die gewöhnlich (wohl in
weit mehr als neunzig Prozent aller Kassenleistungen) vorgeschlagen und auch
akzeptiert wird, besteht in einer Art Medikation - sei sie chemisch (Pharmazie)
oder physiologisch (chirurgisch) oder gefühlsmäßig (psychologisch) oder geistig
(imaginativ - evokativ)–religiös. Die so gefundene Lösung bekämpft
(logischerweise) der Grundintention nach nur das Symptom (das eben als das
Problem - und nicht als ein Warnzeichen - gesehen wird), sie geht nicht an die
Wurzeln.
Die Wurzeln liegen nicht in den körperlichen
Stoffwechselprozessen, die sich ja an die gegebenen Bedingungen anpassen,
sondern in der Ganzheit der Lebensverhältnisse des betreffenden Menschen –
seine geistigen Einstellungen eingeschlossen – und in seiner Beziehung zur
Welt. Die meisten Menschen haben aber eine ungeheure Scheu davor, genau diese
Realität - und in ihr sich selbst - zu erkennen, das heißt, sich so zu sehen,
wie sie wirklich sind. So lange diese Scheu da ist, hüten sie extrem strenge
Tabus: Die wunden Punkte (die Unstimmigkeiten in der eigenen Weltsicht) dürfen
unter keinen Umständen berührt werden. Um diese wunden Punkte nicht sehen zu
müssen, greifen die Menschen zu extremsten Arten von Verleugnung und
Selbsttäuschung. Die meisten sterben lieber, als ihre Tabus anzutasten oder
antasten zu lassen.
In diesem Stadium gehen die Leute daher zum
Arzt, um das lästige Symptom loszuwerden, das ihr Selbstbild stört, d.h. sie
gehen zum Arzt, um von ihm in ihrer Selbsttäuschung unterstützt zu werden. Und
der Arzt "verordnet" ihnen folgerichtig eine Art linderndes Pflaster
(die "Medikation") auf den wunden Punkt - damit sie ihn nicht mehr so
stark wahrnehmen müssen. Medikation ist daher in erster Linie eine Art
Betäubung [das heutige, wieder sehr wörtlich zu nehmende, sehr teure, aber
leider wieder nicht lust–ige "Opium des Volks"] und so lange
notwendig, so lange die Selbsttäuschung besteht. Es gibt nur einen Ausweg aus
der daraus resultierenden und letzten Endes tödlichen Medikamentenabhängigkeit:
den Weg in die Bewusstheit.
Aber: Bewusstheit tut weh. Deshalb wird sie
vermieden.
Die meisten Menschen wollen viel lieber
unbewusst bleiben. Und im Grund hätten wir alle lebenslänglich absolut keine
Chance, wirklich bewusst zu werden - wenn das Leben selbst uns nicht durch
vielerlei schmerzliche Erfahrungen zwingen würde - eben durch die genannten Symptome
unserer mangelnden Sensitivität. Und dann liegt es an uns, uns entweder zu
entschließen, bewusster zu werden oder den Schmerz ewig betäuben zu müssen.
Indem Widersprüche in der eigenen Weltsicht
irgendwann spürbare Konsequenzen haben, drängt uns das Leben letztlich da hin,
uns selbst ungeschminkt wahrzunehmen mit all unseren Schwächen und dazu, unsere
Schwächen auch eingestehen zu können, denn erst wenn uns das gelungen ist,
können sich unsere inneren Widersprüche auflösen – und als Konsequenz öffnet
sich uns die ganze Welt.
Durch unser Eingeständnis entsteht die
Möglichkeit, diese Schwächen (mit der natürlichen Kraft, die frei wird, wenn
die Verleugnung nicht mehr nötig ist) zu überwinden.
Und sobald wir keine Angst mehr haben vor
unserer Schattenseite, gibt es auch keine Gefahr mehr durch eine
"Bloßstellung" oder durch eine Blamage. Die Macht der Angst ist
gebrochen.
Der beste Weg in die Bewusstheit führt über
die Fakten. Nichts hilft mehr, als die nüchterne Betrachtung der
Lebensumstände und – da diese manchmal nicht verändert werden können – der
inneren Einstellung diesen Umständen gegenüber: Z.B. was war mir zuviel oder
was hat mir gefehlt, als das Problem (= das Symptom) aufgetreten ist? Oder: Was
ist mir jetzt zu viel, was fehlt mir jetzt und wie müsste meine innere
Einstellung sein, damit ich die nicht veränderbaren Fakten akzeptieren könnte?
– also das, was ohnehin die ganz normalen alltäglichen Fragen eines bewussten
Menschen sind.
Dazu gehören auch die Fragen nach
Selbsteinschätzungen, z.B. die Frage "was 'verdiene' ich wirklich: Wie
hoch ist mein Beitrag (zur aktuellen Schöpfung) in Quantität und Qualität und
wie wird er honoriert?"
Ungleichgewichte schmerzen. Manchmal schmerzt
jedoch auch eine verzerrte Wahrnehmung: Wenn ich nämlich glaube, meine Leistung
wäre überragend, während ich in Wirklichkeit eher Ausschuss produziere, fühle
ich mich verletzt, wenn mein Einsatz nur der Realität gemäß honoriert wird.
Ebenso wenn ich glaube, jeder hätte das gleiche Recht. Das ist
selbstverständlich nicht so. Umso geringer der Effekt, umso geringer die realen
Rechte, d.h. die Ansprüche, die ein Mensch stellen kann. In gewisser Weise sind
reales Recht und Effekt synonym. "Quod licet Jovi non licet bovi" ist
ein praktisch allgemein anerkannter Grundsatz, hinter dem wahrscheinlich ein
aus der Evolutionserfahrung geprägter Instinkt steht. Diese Realität mit
Hinweis auf irgendwelche definierten Grundrechte nicht zu sehen, ist Dummheit –
womit ich keineswegs sagen will, es wäre dumm oder sinnlos für diese
Grundrechte zu kämpfen! Aber eine Heilung des Individuums wie der Gesellschaft
ist nur möglich, wenn die Illusionen verschwinden, wenn Bewusstheit einkehrt.
Bevor wir Bewusstheit erreicht haben,
sprechen wir wegen all der unangenehmen Erfahrungen, die wir in diesem Zustand
machen, ständig Beschuldigungen aus. Beschuldigungen sind überhaupt ein
Gradmesser unserer Unbewusstheit. Und: Solange es Beschuldigungen gibt, fühlt
sich der Beschuldigende ungerecht behandelt und er leidet doppelt.
Aber wer hat Schuld, wenn ein Hochwasser
großen Schaden anrichtet? Das böse Wasser? Da weiß jeder: Es ist eine
"blinde" Kraft, die auftritt und die über eine gegebene Schwachstelle
seine zerstörerische Wirkung entfaltet. Genauso blind ist aber (objektiv
betrachtet) auch die Kraft eines Einbrechers, eines Vergewaltigers und sogar
eines Völkermörders. Solange ein Mensch glaubt, das dürfte nicht sein, ist er
unbewusst. Wer bewusst ist, weiß, dass das immer sein wird, denn so lange es
Menschen gibt, wird es zu kurz Gekommene geben, die sich von derartigen Akten
eine Abkürzung ihres Leidens versprechen. Die Frage ist nur, wie man sich vor
diesen "armen Teufeln" schützen kann. Und manchmal kann man sich
nicht schützen. Das ist die Realität. Auf dem Weg zur Bewusstheit ist es
unverzichtbar, das nüchtern zu sehen.
Der Art etwa war die Aussage Jesu denen
gegenüber, die ihn ans Kreuz genagelt haben – nämlich nicht beschuldigend,
sondern: "Sie wissen nicht, was sie tun". Ich meine, das "Vater
vergib ihnen" war einfach zu den unbewussten Zuhörern gesprochen, denn es
gab natürlich nichts zu vergeben, höchstens die Unbewusstheit und dafür konnten
sie doch auch nichts. "Verzeihen" ist
doch nur ein anderer Ausdruck für "mitfühlendes Verstehen" und meint
nicht, dass eine "Schuld" beseitigt werden müsste - bzw. durch
"mitfühlendes Verstehen" wird das Bild und das Konzept von "Schuld"
tatsächlich beseitigt, aber nur in den Augen des (unbewussten) Betrachters, wo
sie alleine existiert.
Die Frage nach der Schuld ist entscheidend
auf dem Weg der Bewusstheit, deshalb möchte ich den Gedanken noch
weiterverfolgen. Die Ent-Schuldigung wegen "Unbewusstheit" gilt
nämlich für jede Art von Vergehen: Welcher Mensch, der bei Sinnen ist, würde
denn einen anderen Menschen umbringen oder vergewaltigen? Keiner. Und wenn es
eine politische Notwendigkeit für die Tötung eines Menschen gäbe, würde sich
ein bewusster Richter bei dem Opfer entschuldigen, so wie die Samurai es taten,
wenn sie jemand den Kopf abschlugen – oder wie urzeitliche Jäger es taten, wenn
sie ein Tier töteten.
Die Idee, dass eine Strafe eine Folge der
"Schuld" sei, so wie es in unserem Rechtssystem behauptet wird, ist
eine Perversion. Es gibt keine solche Schuld. Es gibt nur eine als
"Strafe" bezeichnete politische Maßnahme, die verhängt wird, um die
Grenzen zu markieren. Es gibt nur eines, was berechtigterweise als "Schuld"
bezeichnet werden könnte, nämlich das, was wir dem Leben selbst schulden: Dass
wir den Weg zur Bewusstheit antreten, denn das ist die "Bestimmung"
der menschlichen Art. Aber wenn wir es nicht tun, dann wissen wir das eben noch
nicht und dann trifft uns natürlich wieder keine Schuld, denn sobald wir es
wissen, ist es selbstverständlich.
Ansonsten ist "Schuld" nur im Sinn
von Schulden real oder von "objektiven" Defiziten jeglicher Art, für
die ein Mensch aber auch nichts kann.
Das ganze moralische Schuldkonzept unserer
Zivilisation ist Produkt einer paranoiden Weltsicht – für die die Paranoiden
natürlich auch nichts können. Trotzdem kann man sie paranoid nennen, denn das
ist ein objektiver Tatbestand.
Die Menschen, die mit "Schuld"
operieren, wollen besser sein. Sie wollen ihre Defizite durch die
Gegenüberstellung mit den Defiziten Anderer beschönigen oder leugnen. Natürlich
können sie auch
nichts dafür. Sowohl alle Schuldgeplagten als auch alle Beschuldiger sind nur
arme Irre, Opfer der Ideologie des Abwertens durch Schuldverteilen und des
Fehlens einer Kultur des Mitgefühls. Ihr "nicht bei Sinnen sein" beruht auf
erlittenen Verletzungen. Wer ist "schuld"? Niemand! Die üblen
"armen Teufel" sind gewissermaßen genauso "zurecht" böse,
wie ihre Beschuldiger, denn beide waren während ihrer Entwicklung
verhängnisvollen Interferenzen ausgesetzt.
So schwer es auch
fallen mag, das zu sehen: Auch solche, die mit ihren Beschuldigungen (wie sie verständlicherweise
meinen: zurecht) derartige Gräuel wie die des Nationalsozialismus beklagen,
sind Opfer dieses Zustands: Auch der nationalsozialistische Wahn war einfach eine emotionale Welle, die aus einer
bestimmten historisch-kulturellen Situation notwendig entstanden ist. Sie wäre
in jedem anderen Volk in der gleichen Situation in gleicher Intensität
entstanden. Das gleiche gilt natürlich für "Neonazis" oder für
politische Terroristen jeder Art. Und jedes entrüstete Beklagen und
Beschuldigen in diesem Zusammenhang, das wir ja ständig hören müssen, ist nur
Propaganda für die Unbewusstheit der Kläger und Beschuldiger und es schafft
damit (natürlich unbewusst und ungewollt und entgegen der vermeintlichen
Absicht) genau wieder die Bedingung, unter der derartige Phänomene erneut
entstehen können. Bedauerlicherweise zehren fast alle politischen Parteien
immer noch von dem mittelalterlichen Wahn des Beschuldigens - man denke nur an
die gegenwärtige Anti-Neo-Nazi-Campagne, wie selbstverständlich sie in der
üblichen schuldorientierten Weise geführt wird. Wer auf die Unbewusstheit
hinweist, wird daher möglicherweise auch heute nicht unbedingt willkommen
geheißen werden, weil doch alle insgeheim um ihren Wahn wissen und ihn unter
keinen Umständen aufdecken lassen wollen.
So viel zur politisch-ideologischen Seite der
Geschichte. Uns geht es aber um die persönliche – es geht um einen Ausweg aus
einem Verhängnis:
Wenn wir das Glück haben, auf Umstände zu
treffen, die es uns ermöglichen, die Möglichkeiten der Bewusstheit für uns
persönlich in Erwägung zu ziehen, ist das Verhängnis über uns nicht mehr notwendig
unausweichlich. Die meisten derer, die das erkannt haben, scheinen sich zwar
damit zu begnügen, persönlichen Erfolg zu haben, indem sie das Kapital ihres
Wissens nur für sich einsetzen. Sie bleiben auf einem bestimmtem Niveau des
Bewusstseins stehen. Manche setzen es aber dafür ein, dass die Umstände für
viele besser werden. Aber auch das ist wohl keine freie Entscheidung, also kein
"Verdienst", sondern die Folge einer gewissen Vorprogrammiertheit,
die man nur annehmen oder zum eigenen Schaden ablehnen kann. Wer ablehnt, was
das Leben ihm anweist, dem ergeht es wie dem Propheten Jona. Und wahrscheinlich
hatte auch Jona in Wirklichkeit keine Chance, den Weg in den Bauch des Fisches
zu vermeiden - aber der legendäre Fisch hat ihn ja auch genau da, wo er hin
sollte, an Land gespuckt. Und da war Jona bereit für die weiteren
Herausforderungen seiner Bewusstheit.
Es gibt also eine kontinuierliche, wenn auch
sich in Sprüngen vollziehende Entwicklung. Letzten Endes führt der Weg der
Bewusstheit ins vollkommene Mitgefühl und damit in die Akzeptanz des eigenen
Schicksals und Auftrags, sogar wenn dieser "Auftrag" in den Tod
führt. Die Bewusstheit ist mächtiger als der Tod.
Die Chance zur Bewusstheit taucht im Leben
aller Menschen immer wieder auf. Sie äußert sich vielleicht gerade durch ein
schweres Schicksal oder durch unvermutete Schläge des Lebens. Nachdem die
Beschuldigungen verebben, folgt nämlich eine kurze Weile, in der die Wahrheit
eine Chance hat. Wer diesen Moment verpasst (und nochmal: es gibt in der
Angelegenheit keine echte Wahl), braucht leider einen weiteren Schicksalsschlag
- bis der Sprung in die Bewusstheit unausweichlich wird.
Eine (wiederkehrende) Krankheit (auch etwa
eine psychische Krankheit) ist daher eine gute Gelegenheit, für diesen Sprung
oder für eine Serie solcher Sprünge, zwischen denen das Trostpflaster der
Medikamente nur noch dazu zu benützt wird, einen klaren Verstand zu bekommen,
um nach einer realen Alternative zur Krankheit suchen zu können, nämlich nach
einem normalen, zufriedenstellenden (und das heißt bedingungslos ehrlichen)
Leben. Das Ergebnis ist, was die äußeren Lebensbedingungen betrifft, vielleicht
gar nicht so sehr anders als in unbewussten Zeiten (abgesehen von der Tatsache,
dass es nun ein absolut selbstverantwortetes Leben ist) - für die, die das
Zitat kennen: "Vor der Erleuchtung 'Holz holen und Wasser tragen' und nach
der Erleuchtung 'Holz holen und Wasser tragen'." Aber jetzt eben ohne
Illusionen, dafür voll wunderbarer Illusionierfähigkeit.
Das ist dann wirklich "gesund".
Und damit ist die schon zu Anfang
angesprochene zweite Bedingung wirklicher Heilung zumindest teilweise
beschrieben: Wie es möglich ist, inmitten schwerster, alle (oben genannten)
Schwellen überschreitender Einflüsse Quellen der Kraft zu finden, die es
ermöglichen, aus diesen Einflüssen – und sollten sie Jahre dauern – wenn auch
nicht unbedingt für sich selbst, aber doch im Hinblick auf die Aufgabe, die
sich im Bewusstsein eines Individuums stellt – nicht nur unbeschadet, sondern
aufs Höchste gefördert, hervorzugehen. Diese Quelle schier unendlicher Kraft
liegt in der (in dem absolut riskanten Entschluss zur Selbstaufgabe gefundenen)
Erfahrung, dass die Schöpferkraft selbst höchstes Bewusstsein und Hingabe in
einem ist - nicht mehr und nicht weniger.